Britta Steffen haben wir bei unserem diesjährigen Trainingslager knapp verpasst: Die beim Schwimmverband etwas in Ungnade gefallene Rekordschwimmerin kam Mitte September in das Bundesleistungszentrum im brandenburgischen Kienbaum. Da waren wir nach dreitägigem Aufenthalt - vom 9. bis 11. September - gerade wieder abgereist. Steffen, 28, hatte die idyllisch an einem See gelegene Sportanlage im Gegensatz zu uns nicht zum Trainieren aufgesucht, sondern um sich - so stand es zumindest in den Zeitungen - mit DSV-Funktionären zu treffen und von ihnen zu erfahren, wie der Verband ihre vorzeitige Abreise bei der Schwimm-WM in Schanghai zu sanktionieren gedenkt.

Ein solcher Anschiss - ein solcher wird es gewesen sein, auch wenn kein Wort darüber nach außen drang - blieb uns zum Glück erspart. Unsere beiden Trainer Hannah und Olaf gingen sehr zivilisiert und geduldig mit uns um. Nachdem wir bei unserem ersten Trainingslager vergangenes Jahr im erzgebirgischen Rabenberg an unserem Kraulstil gefeilt hatten, stand dieses Mal das richtige Brust- und das korrekte Rückenschwimmen auf dem Programm. Für erstes war Olaf zuständig, für letzteres Hannah. In jeder der insgesamt fünf Schwimmeinheiten wurde erst der eine Stil und dann der andere durchgenommen. Mit sehr anschaulichen Erklärungen und Einweisungen an Land wie im Wasser.

Die Schwimmhalle in Kienbaum war bei weitem nicht so großzügig wie in Rabenberg: Die Bahnen waren nur 25 statt 50 Meter lang und die Umkleiden selbst für fünf Leute eigentlich schon zu klein. Viel Platz bot dagegen die Turnhalle, wo wir uns mit Spiel, Spaß und Dehnübungen aufwärmten, uns im Basketball versuchten, im Kopfball gegeneinander antraten und uns im Völkerball maßen, was bei den meisten mehr oder weniger angenehme Erinnerungen an den Sportunterricht in der Schule wach werden ließ.

So viel Bewegung macht natürlich hungrig: Und der Hunger wurde von den Kienbaumer Köchen auch gestillt, wenngleich das eine oder andere Gericht schon von Anderen aufgegessen war, wenn wir uns zu der vereinbarten Zeit an den Ausgabeschaltern aufreihten. Insgesamt erschien den meisten von uns die Verpflegung in Rabenberg besser gewesen zu sein. Auch das Personal war dort etwas freundlicher, höflicher, zuvorkommender.

So gab es beispielsweise bei der Buchung, die viele Monate im Voraus erfolgte, keinen Hinweis darauf, dass für den geplanten Abend in der Schwitzkammer zwei verschiedene Saunen zur Verfügung stehen: eine wunderschön am See gelegene und eine etwas kleinere im Physiotherapiezentrum. Bei der ersten Inspektion des Geländes am Freitagnachmittag hatten wir uns schon ausgemalt, wie es sein würde, bei Nacht und Nebel vom Steg aus in das kühle Wasser des Sees zu springen. Um dann doch etwas enttäuscht zu sein, als wir erfuhren, dass uns die zweckmäßige Saunakabine neben der Turnhalle zugeteilt wurde. In der Blockhaussauna vergnügte sich derweil eine Berliner Seniorengruppe, die in der Nacht zuvor durch lautstarkes Feiern im Wohnheim aufgefallen war und den einen oder anderen um den Schlaf gebracht hat.

Untergebracht waren wir in einem sanierten Plattenbau ganz am Ende des weitläufigen Geländes. Um von dort zur Kantine, zur Turnhalle oder zur Schwimmhalle zu kommen, bedurfte es eines 15-minütigen Fußmarsches, was angesichts der nicht allzu üppigen Pausendoch mächtig zu Buche schlug und den einen oder anderen lieber zum Autoschlüssel greifen ließ.

Für die "Promis" und Profisportler gibt es auch Häuschen, die nahe der diversen Sportanlagen stehen. Bekannte Gesichter haben wir während unserer Zeit dort allerdings kaum ausgemacht, sieht man einmal von dem Kugelstoßer Ralf Bartels ab. Und von den zahlreichen Autogrammkarten und Fotos, die auf mehreren Pinwänden von prominenten Gästen und ihrer Begeisterung für das Sportzentrum in Kienbaum künden, in dem sich schon zu DDR-Zeiten Athleten auf ihre Wettkämpfe vorbereitet hatten. 1952 war die Anlage am Liebenberger See als zentrale Sport- und Trainingsstätte der DDR eröffnet worden, in den achtziger Jahren wurde sie sogar um eine sagenumwobene Unterdruckkammer ergänzt, die besonders für Ausdauerathleten von Bedeutung war.

In den Jahren nach der Wende stand lange auf der Kippe, ob das nur knapp 40 Kilometer von Berlin-Alexanderplatz entfernte Sportzentrum erhalten bleiben würde. Die Verbände unterstützten eher den Erhalt der Anlage in Lindow bei Neuruppin. Dort werden die Masters im nächsten Jahr ihr drittes Trainingslager abhalten. Vielleicht treffen wir dann Britta Steffen.